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Kommunikation

„Wichtig ist, sich klarzumachen: Mein Gegenüber manipuliert, also muss ich nicht kooperieren“

Manipuliert zu werden, schmerzt nicht nur – es kann auch teuer werden. Zwei Experten erklären, wie Sie Tricksereien erkennen und kontern.Nina Jerzy 15.04.2025 - 08:20 Uhr
Manche Gesprächspartner manipulieren ihr Gegenüber, um einen Vorteil zu erlangen. Foto: Getty Images, Illustration Marcel Reyle

WirtschaftsWoche: Herr Mulamustafić, Herr Hopfe, woran merke ich, dass mein Gegenüber mich manipulieren will?
Adem Mulamustafić: Manipulation läuft verdeckt ab. Geschickt gemacht, fällt sie deshalb oft erst mal nicht auf. Trotzdem gibt es Anzeichen dafür, dass mein Gegenüber nicht redlich agiert. Es strahlt zum Beispiel Aggressivität aus, übt Druck aus, ich fühle mich unwohl. Andere Anzeichen können sein: Der Gesprächspartner scheint gar nicht zuzuhören, lenkt immer ab. Wenn man genau hinschaut, wird klar: Das hier ist kein offener Dialog, sondern es soll etwas durchgedrückt werden.

Wenn ich nach dem Gespräch bemerke, dass ich manipuliert wurde: Wie nachhaltig ist Manipulation dann überhaupt?
Mulamustafić: In manchen Fällen können wir das dann korrigieren und die Manipulation war nicht nachhaltig. Manchmal lässt sich das allerdings nicht mehr so leicht korrigieren – etwa bei ungünstigen Äußerungen in einer Podiumsdiskussion oder bei einer finalen Vertragsverhandlung. Solche Aussagen lassen sich nicht mehr einfach zurücknehmen. Daher ist es wichtig, zu lernen, manipulative Gesprächsmanöver rechtzeitig zu erkennen, nämlich genau dann, wenn sie passieren.

Wie geht Manipulation subtil?
Till Hopfe: Ein Beispiel ist die „Fuß-in-die-Tür-Technik“, bei der Sie durch kleine Zustimmungen hin zu einer großen, relevanten Zustimmung geführt werden. Manipulativ ist diese Technik, wenn sie eingesetzt wird, um bewusst ein schlechtes Gewissen zu erzeugen. Nehmen wir an, Sie möchten eine Gehaltserhöhung. Ihr Chef beginnt das Gespräch damit, wie schlecht die wirtschaftliche Lage aussieht, dass es einen Einstellungsstopp gibt, und so weiter. Er lässt Sie bei immer mehr Punkten zustimmen – vielleicht auch nur mit einem Kopfnicken. Am Ende kommt es Ihnen fast wie eine Zumutung vor, nach so viel Zustimmung noch eine Gehaltserhöhung zu fordern.

Wie kann ich diese Falle umgehen?
Hopfe: Indem Sie sich nicht auf das Spiel einlassen und noch nicht einmal zustimmend nicken. Das ist später wieder ganz schwierig einzuholen. Am besten setzen Sie von vornherein selbst den Rahmen des Gesprächs. Beginnen Sie das Meeting mit Ihren Leistungen und warum eine Gehaltserhöhung trotz der Lage sinnvoll ist.

Ist das dann noch eine geschickte Argumentation oder auch schon Manipulation?
Mulamustafić: Das ist geschickte Argumentation. Manipulation geschieht, wenn jemand bewusst unser Denken oder unsere Emotionen in die Irre leitet, indem er zum Beispiel Realitäten verzerrt, Gefahren übertreibt oder sein Gegenüber unter Druck setzt – etwa wenn er bewusst penetrant immer wieder dieselbe Frage stellt, sodass man im schlimmsten Fall mehr Informationen preisgibt, als einem lieb ist.

Das ständige Nachfragen ist auch eine beliebte Strategie von Moderator Markus Lanz.
Hopfe: Das stimmt. Und man könnte fragen: Was ist da jetzt das Problem? Aber auf der Emotionsebene passiert etwas. Es kann einem fast ein schlechtes Gewissen machen, wenn man immer dieselbe Antwort gibt. Man bekommt das Gefühl, man müsse kooperieren, entgegenkommen.
Mulamustafić: Und dann kann man schnell mehr sagen, als man wollte. Gleichzeitig ist aber nicht jedes Nachbohren unfair und manipulativ: Markus Lanz fragt häufig auch zu Recht immer wieder nach, weil seine Gesprächspartner – zumeist rhetorisch geübte Politiker – immer wieder ausweichen und die gestellte Frage nicht beantworten.

Wie komme ich da raus, wenn jemand repetitives Fragen manipulativ einsetzt?
Hopfe: Einfach gesagt: Indem Sie repetitiv antworten, es also bei Ihrer ursprünglichen Antwort belassen und keine weiteren Informationen preisgeben. Wichtig dabei ist, sich klarzumachen: Mein Gegenüber manipuliert. Also muss ich nicht kooperieren.

Sie sagen: Man überzeugt nicht nur mit Argumenten, auch die eigene Glaubwürdigkeit und die vermittelten Emotionen sind wichtig. Wie überzeuge ich jemanden, den ich zum ersten Mal treffe?
Hopfe: In solchen Fällen braucht es häufig einen Öffnungsprozess. Wenn man gleich forsch mit Fakten einsteigt, zerstört das häufig die Beziehungsebene und die andere Person verschließt sich. Verwenden Sie zum Beispiel Anekdoten, die Sie nahbar machen oder Gemeinsamkeiten unterstreichen, sodass ein Gemeinschaftsgefühl entsteht.

Zum Beispiel?
Hopfe: Es ist nicht sehr tiefgründig, aber das Wetter bietet sich da immer an. Der graue Himmel über Berlin macht aus allen in der Stadt eine Leidensgemeinschaft.
Mulamustafić: Wenn man aus derselben Branche ist, kann man auch einen Artikel oder einen Vorfall ansprechen, der gerade aktuell ist. Wichtig ist, zu signalisieren: Wir stehen auf gemeinsamen Boden. Bei diesem Öffnungsprozess geht es um Glaubwürdigkeit und einen emotionalen Wohlfühlrahmen. Beides sollte man etablieren, bevor es um Zahlen und Fakten geht.

Und wenn ich dann mit meinen Argumenten nicht richtig überzeugen kann?
Hopfe: Manchmal ist das so. Häufig ist aber Raum zum Nachschärfen da. Der Schlüssel liegt im Perspektivwechsel: Nicht meine persönliche Situation zählt, sondern was mein Anliegen für das Gegenüber bedeutet. In Gehaltsverhandlungen heißt das konkret: Ich überzeuge, wenn ich klarmache, warum eine Erhöhung auch im Interesse meines Chefs ist – etwa durch das Halten besonders guter Mitarbeiter.

Was aber noch keine Manipulation ist?
Hopfe: Nein, denn in solchen Fällen leite ich nicht bewusst das Denken oder die Emotionen meines Gegenübers in die Irre.

Zwei Personen können also exakt dasselbe sagen – aber nur eine manipuliert, weil sie das bewusst tut, während die andere aufrichtig überzeugt ist, das Richtige zu sagen?
Mulamustafić: Absolut. Deshalb sollte man vorsichtig sein, jemandem sofort Manipulation zu unterstellen.
Hopfe: Außerdem gibt es eine enorme Bandbreite bei Manipulationen, derer sich die meisten Menschen bedienen, etwa eine kleine Notlüge oder eine unaufrichtige Höflichkeitsfloskel. Einige sind harmlos, andere höchst problematisch.
Mulamustafić: Vermeintliche Manipulation kann auch schlicht schlechte Kommunikation sein. Jemand erzeugt Druck, weiß es aber nicht. Deshalb kann es auch im eigenen Interesse sein, erst mal von einem Missverständnis auszugehen, die Situation zu entschärfen und das konstruktiv zu klären.


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