Kommunikation
„Wichtig ist, sich klarzumachen: Mein Gegenüber manipuliert, also muss ich nicht kooperieren“

WirtschaftsWoche: Herr Mulamustafić, Herr Hopfe, woran merke ich, dass
mein Gegenüber mich manipulieren will?
Adem
Mulamustafić: Manipulation läuft verdeckt ab. Geschickt gemacht, fällt
sie deshalb oft erst mal nicht auf. Trotzdem gibt es Anzeichen dafür, dass mein
Gegenüber nicht redlich agiert. Es strahlt zum Beispiel Aggressivität aus, übt
Druck aus, ich fühle mich unwohl. Andere Anzeichen können sein: Der
Gesprächspartner scheint gar nicht zuzuhören, lenkt immer ab. Wenn man genau
hinschaut, wird klar: Das hier ist kein offener Dialog, sondern es soll etwas
durchgedrückt werden.
Wenn ich nach dem Gespräch bemerke, dass ich manipuliert wurde: Wie
nachhaltig ist Manipulation dann
überhaupt?
Mulamustafić: In manchen Fällen können
wir das dann korrigieren und die Manipulation war nicht nachhaltig. Manchmal lässt
sich das allerdings nicht mehr so leicht korrigieren – etwa bei ungünstigen
Äußerungen in einer Podiumsdiskussion oder bei einer finalen Vertragsverhandlung.
Solche Aussagen lassen sich nicht mehr einfach zurücknehmen. Daher ist es wichtig,
zu lernen, manipulative Gesprächsmanöver rechtzeitig zu erkennen, nämlich genau
dann, wenn sie passieren.
Wie geht Manipulation subtil?
Till Hopfe:
Ein Beispiel ist die „Fuß-in-die-Tür-Technik“, bei der Sie durch kleine
Zustimmungen hin zu einer großen, relevanten Zustimmung geführt werden.
Manipulativ ist diese Technik, wenn sie eingesetzt wird, um bewusst ein schlechtes
Gewissen zu erzeugen. Nehmen wir an, Sie möchten eine Gehaltserhöhung. Ihr Chef
beginnt das Gespräch damit, wie schlecht die wirtschaftliche Lage aussieht, dass
es einen Einstellungsstopp gibt, und so weiter. Er lässt Sie bei immer mehr
Punkten zustimmen – vielleicht auch nur mit einem Kopfnicken. Am Ende kommt es
Ihnen fast wie eine Zumutung vor, nach so viel Zustimmung noch eine
Gehaltserhöhung zu fordern.

Wie kann ich diese Falle umgehen?
Hopfe: Indem
Sie sich nicht auf das Spiel einlassen und noch nicht einmal zustimmend nicken. Das
ist später wieder ganz schwierig einzuholen. Am besten setzen Sie von vornherein
selbst den Rahmen des Gesprächs. Beginnen Sie das Meeting mit Ihren Leistungen und
warum eine Gehaltserhöhung trotz der Lage sinnvoll ist.
Ist das dann noch eine geschickte Argumentation oder auch schon
Manipulation?
Mulamustafić: Das ist geschickte
Argumentation. Manipulation geschieht, wenn jemand bewusst unser Denken oder unsere
Emotionen in die Irre leitet, indem er zum Beispiel Realitäten verzerrt, Gefahren
übertreibt oder sein Gegenüber unter Druck setzt – etwa wenn er bewusst penetrant
immer wieder dieselbe Frage stellt, sodass man im schlimmsten Fall mehr Informationen
preisgibt, als einem lieb ist.
Das ständige Nachfragen ist auch eine beliebte Strategie von Moderator Markus
Lanz.
Hopfe: Das stimmt. Und man könnte fragen:
Was ist da jetzt das Problem? Aber auf der Emotionsebene passiert etwas. Es kann einem
fast ein schlechtes Gewissen machen, wenn man immer dieselbe Antwort gibt. Man bekommt
das Gefühl, man müsse kooperieren, entgegenkommen.
Mulamustafić:
Und dann kann man schnell mehr sagen, als man wollte. Gleichzeitig ist aber nicht
jedes Nachbohren unfair und manipulativ: Markus Lanz fragt häufig auch zu Recht immer
wieder nach, weil seine Gesprächspartner – zumeist rhetorisch geübte Politiker – immer
wieder ausweichen und die gestellte Frage nicht beantworten.
Wie komme ich da raus, wenn jemand repetitives Fragen manipulativ
einsetzt?
Hopfe: Einfach gesagt: Indem Sie repetitiv
antworten, es also bei Ihrer ursprünglichen Antwort belassen und keine weiteren
Informationen preisgeben. Wichtig dabei ist, sich klarzumachen: Mein Gegenüber
manipuliert. Also muss ich nicht kooperieren.
Sie sagen: Man überzeugt nicht nur mit Argumenten, auch die eigene
Glaubwürdigkeit und die vermittelten Emotionen sind wichtig. Wie überzeuge ich
jemanden, den ich zum ersten Mal treffe?
Hopfe: In
solchen Fällen braucht es häufig einen Öffnungsprozess. Wenn man gleich forsch mit
Fakten einsteigt, zerstört das häufig die Beziehungsebene und die andere Person
verschließt sich. Verwenden Sie zum Beispiel Anekdoten, die Sie nahbar machen oder
Gemeinsamkeiten unterstreichen, sodass ein Gemeinschaftsgefühl entsteht.
Zum Beispiel?
Hopfe: Es ist nicht sehr
tiefgründig, aber das Wetter bietet sich da immer an. Der graue Himmel über Berlin
macht aus allen in der Stadt eine
Leidensgemeinschaft.
Mulamustafić: Wenn man aus derselben Branche
ist, kann man auch einen Artikel oder einen Vorfall ansprechen, der gerade aktuell
ist. Wichtig ist, zu signalisieren: Wir stehen auf gemeinsamen Boden. Bei diesem
Öffnungsprozess geht es um Glaubwürdigkeit und einen emotionalen Wohlfühlrahmen.
Beides sollte man etablieren, bevor es um Zahlen und Fakten geht.
Und wenn ich dann mit meinen Argumenten nicht richtig überzeugen
kann?
Hopfe: Manchmal ist das so. Häufig ist aber Raum
zum Nachschärfen da. Der Schlüssel liegt im Perspektivwechsel: Nicht meine persönliche
Situation zählt, sondern was mein Anliegen für das Gegenüber bedeutet. In
Gehaltsverhandlungen heißt das konkret: Ich überzeuge, wenn ich klarmache, warum eine
Erhöhung auch im Interesse meines Chefs ist – etwa durch das Halten besonders guter
Mitarbeiter.
Was aber noch keine Manipulation ist?
Hopfe:
Nein, denn in solchen Fällen leite ich nicht bewusst das Denken oder die Emotionen
meines Gegenübers in die Irre.
Zwei Personen können also exakt dasselbe sagen – aber nur eine manipuliert,
weil sie das bewusst tut, während die andere aufrichtig überzeugt ist, das Richtige
zu sagen?
Mulamustafić: Absolut. Deshalb sollte man
vorsichtig sein, jemandem sofort Manipulation zu
unterstellen.
Hopfe: Außerdem gibt es eine enorme Bandbreite bei
Manipulationen, derer sich die meisten Menschen bedienen, etwa eine kleine Notlüge
oder eine unaufrichtige Höflichkeitsfloskel. Einige sind harmlos, andere höchst
problematisch.
Mulamustafić: Vermeintliche Manipulation kann auch
schlicht schlechte Kommunikation sein. Jemand erzeugt Druck, weiß es aber nicht.
Deshalb kann es auch im eigenen Interesse sein, erst mal von einem Missverständnis
auszugehen, die Situation zu entschärfen und das konstruktiv zu klären.
